
Das Tetralemma als Werkzeug in der Hypothesenbildung für die Beratung und Begleitung von Organisationen und im Coaching
Wir stellen euch das Tetralemma als Werkzeug für die Hypothesenbildung vor, wie wir es momentan verwenden. Es ist ein Denkwerkzeug, das insbesondere beim Verstehen neuer Situation, und ganz besonders für paradoxe Entscheidungssituationen sicher noch viele weitere Möglichkeiten bietet.
Die Arbeit mit dem Tetralemma in der systemischen Beratung wurde maßgeblich von Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer entwickelt und basiert auf einer systemischen Denkweise, die über klassische Dichotomien hinausgeht. Es eröffnet in der Beratung vier Perspektiven – Das Eine, Das Andere, Beides und Keins von Beiden. So wird in der systemischen Beratung und Prozessbegleitung ein Raum geschaffen, in dem neue innere und äußere Haltungen zu einem Sachverhalt eingenommen werden können und Kreativität für neue Lösungsansätze entstehen kann.
Hier soll es ganz praktisch darum gehen, wie uns das Tetralemma dabei hilft, Hypothesen zu hinterfragen. Dort wo die Gefahr besteht, Annahmen allzu schnell für selbstverständlich zu nehmen, ist das Tetralemma ein hilfreiches Werkzeug, um diese als Hypothesen zu erkennen und systematisch zu befragen.
Ein Beispiel: Nehmen wir folgende Hypothese über ein Team an, das zu mehr Arbeitszufriedenheit und Stressreduzierung finden möchte: „Wenn das Team Aufgaben klarer priorisieren würde, gäbe es weniger Stress und mehr Zufriedenheit.“ Soweit unsere erste spontane Hypothese in einer Beratung.
Anhand des Tetralemma beleuchten wir diese Annahme aus vier Perspektiven:
Das Eine: Hier machen wir uns noch einmal klar, wie wir (und aufgrund welcher Beobachtungen) zu der Annahme gekommen sind und was für die Annahme sprechen würde: Indem Aufgaben im Maß ihrer Dringlichkeit voneinander unterschieden werden, könnte den Arbeitsfluss verbessert und Stress reduziert werden, weil jedes Teammitglied weiß, worauf es sich konzentrieren sollte und was aktuell weniger dringlich ist. Durch die so erlebte Selbstwirksamkeit könnte auch die Zufriedenheit steigen.
Das Andere: Es könnte aber auch sein, dass eine allzu starre Priorisierung und damit die Festlegung, was zuerst und was zuletzt bearbeitet werden soll, einzelne Teammitglieder unzufriedener macht, weil sie damit weniger ihrer Intuition, ihren Ideen, spontanen Impulsen folgen können. Darunter könnte auch die Qualität der Arbeit leiden. Unflexible Strukturen, die individuelle Kreativität und spontane Lösungsansätze einschränken, sollten dann lieber vermieden werden.
Beides: Wie könnte das Eine und das Andere gleichzeitig gelten? Hier suchen wir nach einer Möglichkeit, beides miteinander zu verbinden. Wir entscheiden uns dabei für eine von vielen(!) Möglichkeiten klare Prioritäten als Rahmen mit Raum für Flexibilität und Kreativität zu verbinden – eine Balance zwischen Struktur und der Möglichkeit für Flexibilität und spontanem Handeln zu finden, könnte dann z. B. mit dem Team gemeinsam erarbeitet werden. Wenn beides für wichtig erachtet wird, könnte hieraus ein Beratungs- und Begleitungsauftrag formuliert werden.
Keins von Beiden: In unserem Fall könnte man in Erwägung ziehen, dass die Unzufriedenheit und das Stressempfinden im Team noch andere Ursachen haben könnten. Möglicherweise ist der Sinn der Aufgaben nicht klar, oder es herrscht ein ungünstiges Konkurrenzdenken, das die erfolgreiche Teamarbeit beeinträchtigt. Hier sind wir also noch einmal eingeladen unsere Grundannahme zu überprüfen.
Wichtig dabei ist, dass es bei der Gegenhypothese „Das Andere“ nicht nur eine, sondern viele Möglichkeiten gibt, ein „Gegenteil“ anzunehmen. Und auch die Verbindung von zwei Gegensätzen, kann auf sehr unterschiedliche Weise entstehen. (Siehe dazu von Kibéd und Sparrer zur Systemischen Strukturaufstellung)
Übrigens gibt es auch noch eine 5. Position; diese nennen von Kibéd und Sparrer „all dies nicht – und selbst das nicht“ – auch wenn es mit dieser 5. Position im Tetralemma noch einmal richtig interessant werden könnte, genügen uns für die Hypothesenbildung auch erstmal die vier genannten Positionen.
Nachdem wir alle vier Positionen durchgegangen sind, haben wir meist ein differenziertes Bild davon, was nun hilfreich sein könnte und können entsprechend handeln.
Probiere es aus: Nimm dir etwas vor, das dir als gewiss vorkommt, als selbstverständlich. Hypothesen über notwendige Veränderungen oder Voraussetzungen, die du dir für dein Arbeitsleben oder auch deinen privaten Alltag wünschst, könnten interessant sein, mit dem Tetralemma zu beforschen. Dabei wünschen wir dir viel Erfolg und interessante Erkenntnisse!
Natürlich freuen wir uns, wenn du uns erzählst, wie es dir damit ergangen ist! Schick uns dazu also gerne eine Nachricht!
Vertiefen kannst du das Thema in Büchern von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd zur Systemischen Strukturaufstellung, wie etwa hier: